Resonanz, Organisation und Denkräume

von Ute Liepold

Ein Blog von Margret Ammann

Zweimal kurz hintereinander kam das Thema Resonanz für mich auf.

Einmal erzählte mir ein Freund bei einem Glas Wein davon, und einmal zitierte bei der Eröffnungsrunde unseres Jahrestreffens Marion Miketta ein Beispiel, in dem ein Dirigent sagte, es sei selbstverständlich, dass die Zuhörer einen Anteil am Gelingen des Konzerts haben.

Hier wurde ich hellhörig. Dies erlebe ich als passionierte Konzertgängerin immer wieder. Manchmal sind Musiker und Zuhörer durch die Musik so verbunden, dass der Raum sich verändert, manchmal setzt sogar das Klatschen verzögert ein, um diesen besonderen Moment nicht zu stören. Und manchmal entsteht keine Verbindung. Dann ist alles große Mühe. Es wird munter in leise Stellen hinein gehustet und das Klatschen entsteht - so könnte man meinen - mehr aus Erleichterung, dass alles vorbei ist und alle wieder reden und nach Hause gehen dürfen. Von Musikerinnen und Musikern habe ich öfter gehört, dass sie diesen Zauber kennen, und dass sie wahrscheinlich nur deswegen überhaupt Musik machen.

Das, was in mir die Aufmerksamkeit geweckt hat, war der Hinweis auf die gegenseitige Bedingung für das Gelingen. Im Denkraum machen wir gerade das: wir praktizieren tiefes und schöpferisches Zuhören, so dass die Denkpartnerin oder der Denkpartner ihre Gedanken eigenständig und frei entwickeln können. So wie ich nicht besser spielen muss als die Musiker, muss ich nicht besser denken. Es reicht völlig, wenn ich besser zuhöre als ich es gewöhnlich tue.

Das war der erste Punkt, der mich bei dem Zitat erfreut hat. Ich habe etwas erkannt und eine genauere Beschreibung für meine eigene Erfahrung bekommen. Das war der Anfang.

Dann habe ich mir das Buch geholt, dem das oben genannte Zitat entnommen ist: „Being in Organizations. Die Beziehung zwischen Mensch und Organisation lebendig gestalten“ von Anna Jantscher und Nicole Lauchart-Schmidl, und es fast in einem Zug durchgelesen. Zum Glück bin ich keine Wissenschaftlerin und der Ausgewogenheit verpflichtet, denn das Buch begeistert mich rundum.  Die Autorinnen schauen sich aus systemischer Sicht die aktuelle Lage in Organisationen an, untersuchen die verschiedenen Ansätze der Organisationsentwicklung und stellen ein eigenes Modell mit Vorschlägen zur Umsetzung vor. In ihrem Modell spielt die Resonanztheorie von Hartmut Rosa eine zentrale Rolle. Die Autorinnen sehen den Ansatz der Resonanz „als eine mögliche Antwort auf den Wunsch vieler Menschen und Organisationen, andere Arbeitsverhältnisse zu schaffen“ (S. 106). In einer „resonanzfähigen Organisation“ kommen die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Bedarfe der Organisation so zusammen, dass sich auf beiden Seiten das jeweilige Potenzial entfalten kann. Jantscher und Lauchart-Schmidl beschreiben detailliert die „Stellschrauben“, die auf Seiten der Organisation im Hinblick auf eine resonanzfähige Organisation bewegt werden können (Kapitel 6) und widmen sich dann in Kapitel 7 der Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den beiden letzten Kapiteln geht es schließlich um Führung und um Veränderungsprozesse. Das ist alles anregend und für eine Praktikerin wie mich, die über fünfundzwanzig Jahre in einem Großkonzern gearbeitet hat, zutreffend, genau beobachtet und zukunftsweisend. Ich wage jetzt die These, dass Denkräume, wie wir sie mit dem Konzept des Thinking Environment von Nancy Kline gestalten, eine zentrale „Stellschraube“ für eine Organisationsentwicklung hin zu einer resonanzfähigen Organisation sein könnten.

Nancy Kline hat sich die Bedingungen angeschaut, die für schöpferisches Zuhören und eigenständiges Denken nötig sind. Sie hat es so beschrieben, dass es erlernbar ist. Wir selber erleben dies mit Führungskräften und Teams nun schon seit einigen Jahren. Die resonanzfähige Organisation ist eine Organisation, in der tiefes Zuhören und eigenständiges Denken Kernkompetenzen sind. Denn es braucht beides für das Gelingen eines gemeinsamen Auftritts.

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